Wirkungen auf Ökosysteme

Artenreiche Wiesen gehen durch überhöhte Stickstoffeinträge verlorenzum Vergrößern anklicken
Artenreiche Wiesen gehen durch überhöhte Stickstoffeinträge verloren
Quelle: G. Schütze | Umweltbundesamt

Inhaltsverzeichnis

 

Einführung

Luftschadstoffe können zum Einen direkte Schäden an Pflanzen und Tieren bewirken, zum Anderen können sie nach ihrer Ablagerung  abiotische Umweltfaktoren verändern. Bestimmte Arten und Lebensgemeinschaften werden dadurch verdrängt. Hohe Einträge luftgetragener Schadstoffe führen so zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und bedrohen naturnahe Ökosysteme dauerhaft in ihrer Existenz. Die Begrenzung der Luftbelastung ist deshalb ein entscheidender Schritt zum Schutz der Umwelt. Um das Ausmaß der Gefährdung von Ökosystemen durch Luftschadstoffe abzuschätzen, werden die eingetragen Schadstoffmengen mit ökosystemspezifischen kritischen Belastungsgrenzen (⁠Critical Loads⁠) verglichen. Dadurch ist es möglich Belastungsschwerpunkte zu erkennen und Minderungsmaßnahmen zu optimieren.


Um empfindliche Ökosysteme vor schädlichen Einwirkungen zu schützen, sieht das Immissions- und Naturschutzrecht vor, dass Anlagen (zum Beispiel Straßen, landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen) nur dann genehmigt werden, wenn die Emissionen der geplanten Anlage zu keinen erheblichen Schäden an Pflanzen und Ökosystemen führen.


Im Falle einer Schädigung, zum Beispiel durch Luftschadstoffe, können Ökosysteme ihre vielfältigen Funktionen im Naturhaushalt (zum Beispiel Puffer- und Filterfunktionen), die häufig auch für den Menschen von vitaler Bedeutung sind (sognannte Ökosystemdienstleistungen), nur noch eingeschränkt erfüllen. Bewertungsmethoden stellen deshalb zunehmend die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen und deren Beeinträchtigung, zum Beispiel durch Schadstoffbelastungen, in den Mittelpunkt der Betrachtungen.

 

Wirkungen von Luftschadstoffen in Ökosystemen

Luftschadstoffe breiten sich in der ⁠Atmosphäre⁠ aus und werden großflächig in Ökosysteme eingetragen (Artikel: Einträge von Schadstoffen). Dort üben sie in unterschiedlicher Weise Wirkungen auf ⁠Flora⁠ und ⁠Fauna⁠ aus und beeinflussen somit die biologische Vielfalt.


Einträge von Schwefel- und Stickstoffverbindungen führen im Boden zur ⁠Versauerung⁠. Damit einhergehend ändern sich Menge und Zusammensetzung des Nährstoffangebotes. Pflanzen und Pflanzengesellschaften, die auf neutrale Bodenverhältnisse angewiesen sind, haben bei den derzeit herrschenden Immissionen vielerorts langfristig keine Überlebenschance. Die entsprechenden Ökosystemtypen verschwinden und die Vielfalt der Ökosysteme wird verringert (Artikel Daten zur Umwelt: Überschreitung der Belastungsgrenzen für Versauerung).


Stickstoffverbindungen wirken darüber hinaus eutrophierend auf naturnahe terrestrische Ökosysteme. Langanhaltende, erhöhte Stickstoffeinträge über die Luft verändern die Gleichgewichte zwischen Stickstoff und anderen Nährstoffen (wie Magnesium, Phosphor und Kalium) im Boden und damit auch ihre ausgewogene Aufnahme durch die Pflanzen. Der unausgewogene Ernährungsstatus im ⁠Ökosystem⁠ führt zu geringerer Toleranz gegenüber kurzzeitigen Störungen oder Stress (Frost, Trockenheit, Schädlinge). Stickstoffeinträge sind eine Hauptursache für den Verlust biologischer Vielfalt in Europa, weil Arten und Biotoptypen verdrängt werden, die an geringe Stickstoffverfügbarkeit angepasst sind (Artikel Daten zur Umwelt: Überschreitung der Belastungsgrenzen für Eutrophierung). Weitere schädliche Wirkungen können unter anderem Nitratauswaschung und Lachgasemission sein (Artikel: Reaktiver Stickstoff in der Umwelt).


Schwermetalle wirken bei Überschreitung bestimmter Konzentrationen toxisch auf Lebewesen und können dann Ökosystemfunktionen stören.


Auch bodennahes Ozon hat eine schädigende Wirkung auf die Vegetation. Die Schadwirkung kann direkt sein und zu Ertrags- beziehungsweise Qualitätsverlusten führen (zum Beispiel Verfärbungen und Absterben von Blattteilen) oder im Falle von Bäumen auch langfristige Effekte haben (etwa die Steigerung der Empfindlichkeit gegenüber Schädlingen).


Allgemein führt lang anhaltender Stress durch Stoffeinträge zur Destabilisierung von Ökosystemen (zum Beispiel Waldschäden), die dann natürlichen Stressfaktoren und Klimaänderungen gegenüber anfälliger sind.


Alle genannten anthropogenen (das heißt durch den Menschen verursachten) Einflüsse wirken zusammen und gemeinsam mit natürlichen Standortfaktoren sehr unterschiedlich: Die Wirkungen können sich gegenseitig verstärken oder auch abschwächen.


Die durch die Luftschadstoffe (mit) verursachten Veränderungen der Ökosysteme können dazu führen, dass diese ihre Funktionen nur noch eingeschränkt erfüllen, was auch Dienstleistungen für den Menschen einschränkt, so zum Beispiel die Bereitstellung von sauberem Grundwasser und anderen Ressourcen, Hochwasserschutz, die Eignung für Erholungszwecke und vieles andere (Artikel: Ökosystemintegrität).

 

Bewertung von Luftschadstoffwirkungen im Naturschutz- und Immissionsschutzrecht

Etwaige nachteilige Wirkungen von Luftschadstoffen auf Ökosysteme und empfindliche Pflanzen müssen auch in Genehmigungsverfahren zum Anlagen- oder Straßenbau in immissions- und naturschutzrechtlichen Verfahren geprüft und bewertet werden. Eine Genehmigung ist nur dann möglich, wenn erhebliche Schäden an Pflanzen und Ökosystemen ausgeschlossen sind. Standardisierte Leitfäden für diese Prüfungen und Bewertungen tragen zur Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vollzugs bei.

 

Immissionsschutzrecht – Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen

Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (⁠TA Luft⁠) dient unter anderem dem Schutz der Allgemeinheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen. Sie ist eine Verwaltungsvorschrift, die immissionsschutzrechtliche Anforderungen an die Genehmigung von Anlagen konkretisiert. Durch die Definition von Immissionswerten schützt die TA Luft die Vegetation und Ökosysteme vor erheblichen Nachteilen. Darüber hinaus fordert sie eine detaillierte Einzelfallprüfung der Genehmigungsfähigkeit, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutz empfindlicher Pflanzen oder sensibler Ökosysteme (zum Beispiel Heide, Moor, Wald) vor erheblichen Nachteilen nicht gewährleistet ist, die durch die Einwirkung von Ammoniak oder den Eintrag von Stickstoff entstehen. In der Praxis betrifft das vor allem den Bau und die Erweiterung von mittleren und großen Feuerungsanlagen sowie Tierhaltungsanlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (⁠BImSchG⁠) genehmigungs¬pflichtig sind.


Ein Fachgespräch der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) hat, unter intensiver Beteiligung des ⁠UBA⁠, einen Vollzugsleitfaden entwickelt. Ergibt die Anwendung der standardisierten Methodik des Leitfadens, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch die Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist, so muss eine detaillierte Einzelfallprüfung erfolgen. Das Verfahren trägt somit zu einem größeren Maß an Rechtssicherheit bei der Anlagen¬genehmigung und so zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vollzugs bei. Der Leitfaden wird mittlerweile von vielen Ländern erfolgreich eingesetzt.


Für die Bewertung der Wirkungen wird die voraussichtliche Gesamtbelastung (anlagenspezifische Zusatzbelastung plus Vorbelastung) mit einem ökosystemspezifischen Beurteilungswert verglichen. Zur Ermittlung der Vorbelastung bedient man sich eines im Auftrag des UBA modellierten flächendeckenden, räumlich hoch aufgelösten Datensatzes der Stickstoffdeposition (Raster: 1 x 1 km2). Die Zusatzbelastung wird nach den Vorgaben der TA Luft mit AUSTAL2000 berechnet. Die Ableitung des ökosystemspezifischen Beurteilungswertes erfolgt ausgehend von empirischen ⁠Critical Loads⁠ unter zusätzlicher Einbeziehung von Zuschlagsfaktoren für die Gefährdungsstufe des jeweiligen Schutzguts.

 

Naturschutzrecht – Bewertung von Nährstoffeinträgen in FFH-Gebiete

Pläne (zum Beispiel Bebauungspläne) oder Projekte (zum Beispiel Errichtung einer Anlage oder der Bau einer Straße) können Auswirkungen auf Schutzgebiete haben. Nach dem Naturschutzrecht sind sie deshalbvor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen europäischer Schutzgebiete (sogenanntes ⁠Flora⁠-⁠Fauna⁠-⁠Habitat⁠, oder kurz, FFH-Gebiete) zu überprüfen. Auch die Auswirkungen eutrophierender Stickstoffeinträge auf FFH-Gebiete oder schützenswerte Bestandteile derselben, zum Beispiel nachteilige Verschiebungen im Artenspektrum, müssen dabei berücksichtigt werden.


Die Forschungsgesellschaft Straßenverkehr und eine Ad-Hoc Arbeitsgruppe zusammengesetzt aus Vertretern der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) und der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) legten Leitfäden zum Vorgehen bei der Bewertung der Stickstoffdeposition im Rahmen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen vor.

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 Luftschadstoffe  Wirkung  Eintrag in Boden  FFH  Bewertung  AUSTAL2000