Ausweisung nitratbelasteter Gebiete

Umfangreiche Änderungen des Düngerechts erlauben seit 2017 in Deutschland eine Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten. In diesen Gebieten gelten strengere Bewirtschaftungsauflagen für landwirtschaftlich genutzte Flächen. Ziel ist es, die Belastung der Gewässer durch Nährstoffe aus landwirtschaftlichen Quellen, die in diesen Gebieten besonders hoch ist, zu verringern.

Inhaltsverzeichnis

 

Hintergrund

Die übermäßige Verwendung von Düngemitteln (Mineral- und Wirtschaftsdünger) in der Landwirtschaft stellt eine Gefahr für Tiere und Pflanzen, die Ökosysteme der Gewässer und für die Versorgung mit sauberem Trinkwasser dar. Der Eintrag von Nährstoffen (vor allem Nitrat und Phosphat) in Gewässer wird zu einem großen Teil durch diffuse, landwirtschaftliche Quellen verursacht. Die Europäische Union gibt mit der EU-Nitratrichtlinie (91/676/EWG) ein einheitliches Regelwerk vor, das zum Ziel hat, Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu schützen und weiteren Gewässerverunreinigungen dieser Art vorzubeugen. In Deutschland bildet die Düngeverordnung das zentrale Element des Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Die in der Düngeverordnung spezifizierten Vorgaben für die gute fachliche Praxis der Düngung gelten dabei bundesweit. Umfangreiche Änderungen der Düngeverordnung ermöglichen seit 2017 eine Ausweisung von besonders mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten. In diesen Gebieten gelten strengere Bewirtschaftungsauflagen für landwirtschaftlich genutzte Flächen als außerhalb dieser Gebiete. Diese Auflagen sind in § 13a der Düngeverordnung festgeschrieben. Die bundesweit einheitliche technische Grundlage für die Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten bildet die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Gebietsabgrenzung (AVV GeA) vom 10.08.2022. Die AVV GeA legt zudem die für die Ausweisung zu verwendenden Messstellen und die an sie gestellten Anforderungen fest. Die Ausweisung der entsprechenden Gebiete erfolgt durch die Bundesländer.

Hinweis: Während die Ausweisung nitratbelasteter Gebiete dem Grundwasserschutz dient, hat die Ausweisung von eutrophierten Gebieten den Schutz der Oberflächengewässer vor zu hohen Nährstoffbelastungen zum Ziel. Hierzu erlassen die Bundesländer Maßnahmen, die über das Anforderungsniveau der anderen Gebiete für Phosphor hinausgehen. In diesem Artikel steht jedoch die Ausweisungspraxis der nitratbelasteten Gebiete im Vordergrund, weshalb auf die eutrophierten Gebiete hier nicht weiter eingegangen wird.

 

Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten – Schutz des Grundwassers

Die Ausweisung nitratbelasteter Gebiete („Nitrate Vulnerable Zones - NVZ“) zielt auf den Schutz des Grundwassers ab und soll Gebiete mit besonders hohen Nitratkonzentrationen im Grundwasser identifizieren und von weniger stark belasteten Gebieten abgrenzen. In den mit Nitrat belasteten Gebieten gelten strengere Bewirtschaftungsauflagen (siehe § 13a DüV), wie zum Beispiel eine Reduktion der Düngemenge auf 20 % unter Bedarf der Kultur, verlängerte Sperrfristen für die Düngung von Acker- und Grünland im Winterhalbjahr sowie ein verpflichtender Zwischenfruchtanbau vor Sommerungen.

Methodik der Gebietsausweisung

Belastete Gebiete werden immissionsbasiert auf Grundlage der gemessenen Nitratkonzentrationen im Grundwasser ausgewiesen (arithmetisches Mittel der letzten vier Jahre). Dabei ist sicher zu stellen, dass Messstellen an denen Nitratkonzentrationen > 50 mg/l auftreten oder die Nitratkonzentrationen > 37,5 mg/l und einen steigenden Trend aufweist, stets innerhalb eines belasteten Gebietes liegen. Ausgangspunkt für die Abgrenzung bilden dabei die Grundwasserkörper, die im schlechten chemischen Zustand für Nitrat (§§ 7 und 10 der Grundwasserverordnung) sind oder Grundwasserkörper, die sich im guten chemischen Zustand für Nitrat befinden, für die jedoch mindestens eine landwirtschaftlich beeinflusste Messstelle den Schwellenwert von 50 mg/L Nitrat bzw. 37,5 mg/L Nitrat mit steigendem Trend überschreitet.

Für die Ausweisung der aktuell gültigen Nitratgebiete in Deutschland wurden bundesweit Messdaten von mehr als 13.500 Messstellen verwendet. Alle Messstellen, die zum Zweck der Gebietsausweisung verwendet werden, werden als „AVV-Ausweisungsmessnetz“ (alle Messstellen gemäß § 4 Abs 1, Nr. 1 bis 3 AVV GeA) zusammengefasst und umfassen mindestens alle landwirtschaftlich beeinflussten Messstellen zur Umsetzung der Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinien-Messnetz) sowie zur Berichterstattung an die Europäische Umweltagentur (EUA-Messnetz). Die Bundesländer können weitere Messstellen in das Ausweisungsmessnetz übernehmen, wenn sie die Anforderungen gemäß Anlage 1 Nummer 1 bis 4 AVV GeA erfüllen.

Um Nitratgebiete abzugrenzen, müssen aus den vorhandenen Punktinformationen (hier: Nitratkonzentration an Grundwassermessstellen) flächenhafte Aussagen zur Überschreitung der oben genannten Schwellenwerte für Nitrat im Grundwasser abgeleitet werden. Die AVV GeA legt dafür bundeseinheitliche Vorgaben fest: Die immissionsbasierte Abgrenzung hat auf Basis eines geostatistischen Regionalisierungsverfahrens zu erfolgen. Die Bundesländer können übergangsweise (längstens bis zum 31.12.2028) ein deterministisches Regionalisierungsverfahren (Inverse Distanzgewichtung oder Nächster-Nachbar-Interpolation) anwenden oder eine Abgrenzung nach hydrogeologischen und / oder hydraulischen Kriterien vornehmen, sofern die für die Anwendung eines geostatistischen Verfahrens geforderte Messstellendichte nicht erfüllt ist (vgl. § 15 AVV GeA). Aktuell machen die Bundesländer vielfach von der Übergangsregelung nach § 15 AVV GeA Gebrauch. Einzig in Thüringen wird ein geostatistisches Regionalisierungsverfahren angewendet. In Abbildung 1 sind die in Deutschland aktuell gültigen nitratbelasteten Gebiete dargestellt (Stand: 9.11.2023). Sie haben insgesamt eine Fläche von mehr als 54.000 km², was 15% der Bundesfläche und 28,8 % der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche in Deutschland entspricht.

 

Abbildung 1: Dargestellt ist eine Karte Deutschlands, in der die nitratbelasteten Gebiete eingezeichnet sind.
Abbildung 1: Karte der nitratbelasteten Gebiete in Deutschland, Stand: 09.11.2023
Quelle: UBA
 

Herausforderungen und Handlungserfordernisse Grundwasser

Weil die Abgrenzung nitratbelasteter Gebiete auf Basis gemessener Nitratkonzentrationen im Grundwasser zu erfolgen hat, kommt der Dichte der für diese Zwecke nutzbaren Grundwassermessstellen eine zentrale Bedeutung zu. Die AVV GeA formuliert deshalb abhängig von der hydrogeologischen Situation Zielvorgaben, welche Messstellendichte zu erreichen ist. Da diese Zielvorgaben häufig noch nicht erreicht werden, bauen die Bundesländer aktuell Ihre Grundwassermessnetze aus.

Über die Messstellendichte hinaus hat auch das für die Abgrenzung verwendete mathematische Verfahren einen wesentlichen Einfluss auf die Robustheit und Nachvollziehbarkeit der abgegrenzten Gebiete. Dabei sollten bevorzugt solche Verfahren angewendet werden, für die erklärende Variablen unterschiedlicher Merkmalstypen hinzugezogen werden können, um die räumliche Abhängigkeit der Nitratkonzentration korrekt zu berechnen. Dies bedeutet, dass relevante Umweltprozesse auf möglichst plausible Weise durch das Modell repräsentiert werden können und eine Ausweisung belasteter Gebiete prozessadäquat und nachvollziehbar erfolgen kann. Diese Eigenschaften werden von geostatistischen Regressionskriging-Verfahren erfüllt. Im Gegensatz dazu genügen deterministische Regionalisierungsverfahren, wie sie übergangsweise bis Ende 2028 angewendet werden dürfen, diesen Anforderungen nicht.

Wesentliches Ziel der Ausweisung von belasteten Gebieten ist es, strengere Maßnahmen nur in solchen Gebieten umzusetzen, die für die Nitratbelastung des Grundwassers ursächlich sind. Keines der Messnetze ist jedoch darauf ausgelegt, Einzelverursacher von Nitratverunreinigungen des Grundwassers zu bestimmen. Dies können und werden die Messnetze nicht leisten, da sie nicht so engmaschig angelegt werden können und die Grundwasserqualitätsmessungen auch keinen direkten Hinweis auf die Verursacher geben. Diese Verursacher können nur nach Offenlegung ihrer Emissionen (Düngebilanz) ausgemacht und ordnungs- und förderrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Eine weitergehende Verursachergerechtigkeit könnte zum Beispiel durch eine Differenzierung der Maßnahmen innerhalb der ausgewiesenen Gebiete erfolgen.

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 Grundwasser  Nitrat  Belastete Gebiete  Gebietsausweisung  AVV GeA  Wirkungsmonitoring  Düngeverordnung