Sandoz-Chemieunfall jährt sich zum 25. Mal

Nie wieder blutroter Rhein

Vor 25 Jahren im November 1986 ereignete sich einer der größten vom Menschen verursachten Chemieunfälle in der Geschichte Europas: Aus Anlagen des Schweizer Chemieunternehmen Sandoz bei Basel lief nach einem Großfeuer 20 Tonnen giftiger, rotgefärbter Löschschaum ungehindert in den Rhein - ein enormes Fischsterben war die Folge, fast die gesamte Aalpopulation starb. In Erinnerung an die Katastrophe veranstalten Bundesumweltministerium (BMU), Umweltbundesamt (UBA) und die UNECE morgen einen internationalen Workshop zum Risikomanagement bei gefährlichen Anlagen. „Die Sandoz-Katastrophe mahnt uns noch immer, die enge internationale Kooperation bei grenzüberschreitenden Unglücksfällen Ernst zu nehmen. Ein gutes Krisenmanagement in Unglücksfällen ist unabdingbar, gerade weil mehrere internationale Flüsse Deutschland durchqueren“, sagt Jochen Flasbarth, Präsident des UBA. „Innerhalb der Europäischen Union (EU) gilt es, die hohen Standards abzusichern. Außerhalb der EU müssen Genehmigungs- und Kontrollsysteme verbessert werden.“ Auf dem Workshop sollen vor allem vorhandene Defizite beim Risikomanagement gefährlicher Anlagen erkannt werden.

 

Ihren Ausgang nahm die Sandoz-Katastrophe, als in einer Lagerhalle des Unternehmens unerwartet 1350 Tonnen hochgiftige Chemikalien in Flammen aufgingen. Die Feuerwehr war zwar sofort zur Stelle und löschte den Brand - mit dem Löschwasser flossen jedoch mehr als 20 Tonnen eines giftigen Pflanzenschutz-Gemisches ungehindert in den Rhein. In den nachfolgenen beiden Wochen verteilte sich das Gift mehr als 400 Kilometer rheinabwärts und vernichtete dabei nahezu den gesamten Aalbestand. In den Niederlanden, die einen Teil des Trinkwassers aus Uferfiltrat des Rheins bezogen, war die Versorgung stark beeinträchtigt. Deutsche Behörden konnten damals lange Zeit nur hilflos zusehen - denn obwohl sich das Unglück direkt an der deutsch-schweizerischen Grenze ereignete, gab es keinen grenzüberschreitenden Informationsaustausch.

Aus der Katastrophe wurden Lehren gezogen:  seit dem Sandoz-Unfall ist eine deutliche Verbesserung der Gefahrenlage erreicht worden. Möglich wurde dies insbesondere durch nationale und internationale Regelungen zum Risikomanagement. Wichtig sind vor allem die Störfallverordnung (StörfallV) sowie die Seveso-II-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, die zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen dient. Auch Empfehlungen der internationalen Flussgebietskommissionen führten zu einer Verbesserung des sicherheitstechnischen Niveaus von Industrieanlagen, kombiniert mit einer entsprechend wirkungsvollen Überwachung.

Gewässerbelastungen durch Unfälle sind im Rhein beispielsweise mittlerweile um mehr als 99 Prozent zurückgegangen. Ein positives Ergebnis, aber: Diese Erfolgsbilanz gilt leider nicht für alle Flusseinzugsgebiete innerhalb der ⁠UNECE⁠ Region, die Flusseinzugsgebiete innerhalb Europas und Nordamerikas, bis nach Asien und den Nachfolgestaaten der UdSSR umfasst. Vor allem in letztgenannten Ländern ist tendenziell eine eher negative Entwicklung zu registrieren, denn: Effiziente staatliche Genehmigungs- und Kontrollorgane sind nicht in allen Staaten vorhanden. Gleichzeitig sind zwischenstaatliche bzw. internationale Frühwarn-Systeme noch nicht oder nur in Ansätzen etabliert.

Innerhalb der EU geht es vor allem darum, das bisher Erreichte abzusichern. Hierzu müssen auch personelle Kapazitäten erhalten bleiben und sicherheitstechnische Standards auch in angrenzende Gesetzesbereiche ausgebaut werden. Regelmäßige Störfall-Übungen zwischen benachbarten Staaten sind zur Absicherung unentbehrlich. Als Vorbild kann die gemeinsam erreichte Verantwortung und frühzeitige Harmonisierung von sicherheitstechnischen Vorsorge- und  Überwachungs-  Maßnahmen innerhalb der europäischen Flussgebietskommissionen dienen.

 

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 Presse